IJAB Positionspapier

Standortbestimmung angesichts menschenfeindlicher und extremistischer Strömungen

Internationale Jugendarbeit hat auf Grund ihrer transnationalen Ausrichtung und grenzüberschreitenden

Vernetzung besondere Potenziale und steht vor neuen Herausforderungen.

In dem Perspektivpapier „Unterwegs in die Zukunft – Potenziale Internationaler Jugendarbeit“ hat IJAB dazu bereits

2012 ausgeführt: „Globale ökonomische Beziehungen, die Entstehung internationaler und supranationaler

politischer Entscheidungszentren, eine wachsende Europäisierung der Politik, Migration und

zunehmende kulturelle und soziale Heterogenität zeigen ihre Wirkungen in immer komplexer werdenden

Gesellschaften. Neue Informationstechnologien eröffnen weltweite Kommunikationsmöglichkeiten

und internationale Kontakte fördern Reisen und Mobilität. Vor diesem Hintergrund erweitern

sich die Lebensräume junger Menschen und stellen wachsende Anforderungen an ein gelingendes

Aufwachsen in einer globalen Welt. […] Auslandserfahrungen, grenzüberschreitende Mobilität, internationaler

Austausch und Begegnung, vor allem auf Gegenseitigkeit, werden dabei immer wichtiger.“

 

Internationale Jugendarbeit und internationale jugendpolitische Zusammenarbeit eröffnen jungen

Menschen Chancen für Bildung, Persönlichkeitsentwicklung und Teilhabe in einer durch Globalisierung

geprägten Welt. Sie tragen zu Toleranz und Frieden bei, wirken diskriminierenden und rassistischen

Einstellungen entgegen und sensibilisieren für Diversität und das Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft.

Ziel von IJAB ist es, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis junger Menschen

unterschiedlicher Herkunft und Kultur beizutragen, die Vermittlung interkultureller Kompetenzen und

internationaler Bildung zu fördern sowie den Umgang mit Vielfalt zu unterstützen.

Die Mitglieder von IJAB beobachten mit Sorge politische Strömungen, die zum Ziel haben, ausschließlich

rein nationale Sichtweisen zur Grundlage von politischen Entscheidungen zu machen und menschenfeindliche

und extremistische Haltungen zu fördern.

Diese Entwicklungen schlagen sich unmittelbar auf die Internationale Jugendarbeit nieder und stehen

deren Zielen entgegen. Sie stehen im Widerspruch zum Verständnis von Menschenrechten wie sie in

der Menschenrechtscharta der UN, des Europarats sowie in Verfassungen vieler Länder und dem Grundgesetz

der Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind. Auf diesen Grundlagen versteht sich Internationale

Jugendarbeit und jugendpolitische Zusammenarbeit auch als Beitrag zur Entwicklung einer

starken Zivilgesellschaft und zur Förderung eines demokratischen Gemeinwesens sowie einer gerechten

und solidarischen Welt.

Daher bezieht IJAB Position für Vielfalt, Gleichberechtigung, Respekt, Freiheit und Demokratie! Wir

verurteilen jede Form von Diskriminierung und setzen uns dafür ein, dass internationale Zusammenarbeit

bilateral und multilateral partnerschaftlich unter Berücksichtigung der Anliegen aller beteiligten

Seiten gestaltet wird.

 

IJAB lässt sich von folgenden Überzeugungen leiten:

♦ Mit unserem Verständnis von Internationaler Jugendarbeit unvereinbar sind Diskriminierung von

Einzelnen und den Gruppen, denen sie sich zugehörig fühlen u. a. wegen der Sprache, der Religion,

des Alters, der Herkunft, der sozialen Lage oder der politischen bzw. anderer Anschauungen oder

aufgrund körperlicher und geistiger Vorrausetzungen, des Geschlechts oder der sexuellen Identität.

♦ Weil alle Menschen mit Bildern und Zuschreibungen aufwachsen, ist niemand gänzlich frei von

diskriminierenden Haltungen. Daher besteht auch bei uns immer der Bedarf, uns für eine diskriminierungssensible

und selbstkritische Haltung einzusetzen und entsprechende (Fort-)Bildungsmaßahmen

vorzusehen.

♦ Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus sowie jeder anderen Art

des Totalitarismus und das Erinnern an ihre Opfer ist ebenso Teil unserer Bildungsarbeit wie die

Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Folgen.

kk Im Rahmen der Internationalen Jugendarbeit und der jugendpolitischen Zusammenarbeit ermöglichen

wir Orte der Begegnung, des Gesprächs und der Reflexion.

♦ Im internationalen Austausch erfahren wir politische, geografisch oder historisch bedingte Hindernisse,

die eine Verständigung beinträchtigen und dauerhafte Partnerschaften erschweren. In

den Begegnungen greifen wir diese Problemlagen auf und suchen nach Lösungen.

♦ Sprache und Verständigung über die Bedeutung von Worten und Gesten und ihre Verwendung

sind wichtige Bestandteile Internationaler Jugendarbeit. Wir stehen für respektvolle Ausdrucksformen.

♦ Auch wenn Internationale Jugendarbeit und internationale Zusammenarbeit davon gekennzeichnet

sind, die jeweiligen Partner zu verstehen und in ihren Anliegen zu akzeptieren, findet diese

Empathie ihre Grenze, wenn Menschen ausgegrenzt oder wegen ihrer Identität verachtet werden

und damit Menschenrechte und Grundlagen von Demokratie nicht geachtet und beachtet werden.

♦ Wir sind offen für die Auseinandersetzung über die unterschiedlichen demokratischen Staatsformen.

Herausforderungen annehmen: das Arbeiten in Spannungsfeldern

Die Internationale Jugendarbeit ist ein Lernfeld für junge Menschen mit hohen eigenen und auch von

außen auferlegten Ansprüchen und Leitbildern. Wir kennen diese hohen Ansprüche und stellen uns

den Herausforderungen:

♦ Wir wissen, dass wir in der Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern aufgrund von

politischen Entwicklungen unsere hier beschriebenen Positionen nicht immer gemeinsam umsetzen

können. Da, wo es möglich ist, versuchen wir, darüber in den Dialog zu gehen.

♦ Wir wissen, dass es für die Internationale Jugendarbeit in Zeiten des Populismus, in der die Politik

der Vereinfachung angewendet wird, schwer ist, komplexe gesellschaftspolitische Themen zu

bearbeiten. Wir reduzieren zielgruppengerecht die Komplexität und haben Freude an der Kontroversität.

♦ Wir wissen, dass Internationale Jugendarbeit in Zeiten der Abschottung und der Angst vor Migration

und Globalisierung gute Konzepte und Methoden haben muss, um Unbekanntes zu erklären

und näherzubringen sowie Verständnis für Neues und Vielfalt durch grenzüberschreitende

Zusammenarbeit zu wecken. Wir haben dazu Konzepte erarbeitet und entwickeln diese kontinuierlich

weiter.

♦ Wir wissen, wie schwer es sein kann, in Zeiten einer „Nation zuerst, EU-Nein-Danke-Haltung oder

des Antimultilateralismus“ ein europäisches Bewusstsein und eine kosmopolitische Identität zu

prägen. Aber wir vertrauen auf das hohe Potenzial und die Wirkungsfähigkeit der Internationalen

Jugendarbeit.

♦ Wir wissen, wie wichtig die Zivilgesellschaft für eine lebendige Demokratie ist. Daher setzen wir

uns gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen dafür ein, dass bürgerschaftliches Engagement

gefördert wird und die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen und deren Strukturen

nicht beschnitten werden.

♦ Die Europäische Union steht vor ihrer größten Bewährungsprobe seit ihrer Gründung 1957. Der

Erhalt von Frieden ist ihre bedeutendste Errungenschaft. Daher setzen wir uns für ein geeintes,

demokratisches und friedliches Europa ein. Forderungen nach Schließung von Grenzen und

Rückkehr zu nationalstaatlichen Egoismen widersprechen unserem Streben nach Zusammenhalt

und unserer Solidarität in Europa und der Welt.

 

Für den Umgang im Diskurs

♦ Unsere Trägerlandschaft in der Internationalen Jugendarbeit ist vielfältig. Wir arbeiten auf

Grundlage von § 3 SGB VIII Freie und öffentliche Jugendhilfe: „(1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet

durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt

von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen“. Wir sind in unserer Arbeit nicht zur Neutralität

verpflichtet. Pluralität ist Ausdruck unserer demokratischen Gesellschaft.

♦ Wer sich heute öffentlich gegen menschenfeindliche oder extremistische Strömungen exponiert,

muss mit Anfeindungen u.a. in sozialen Netzwerken und beleidigenden E-Mails rechnen. In

diesen Fällen lassen wir unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

nicht allein. Wir geben ihnen Rückhalt und bieten Strategien für den Umgang mit solchen

Situationen.

♦ Wir erwarten von Menschen, Organisationen und Vereinigungen Respekt vor anderen und Bereitschaft

zum Gespräch über Grundhaltungen und angemessene Reaktion auf Argumente.

kk Wir entscheiden im Einzelfall, ob und inwieweit wir mit Menschen, die mit menschenfeindlichen

oder extremistischen Haltungen auftreten, diskutieren oder ihnen ein öffentliches Podium für

ihre Thesen bieten.

♦ Organisationen oder Vereinigungen, die mit menschenfeindlichen oder extremistischen Haltungen

auftreten, bieten wir kein öffentliches Podium in unseren Veranstaltungen. Wir tragen auch

nicht zu einer falsch verstandenen Normalität bei, indem wir bei ihren öffentlichen Veranstaltungen

auftreten.

♦ Als Gastgeber von Gruppen und Vereinigungen erwarten wir generell, dass diese unsere o.g.

Grundsätze akzeptieren und respektieren. Wir behalten uns eine Prüfung im Einzelfall vor, wenn

wir davon Kenntnis erlangen oder den Eindruck gewinnen, dass dieser Respekt nicht eingehalten

wird.

 

Beschlossen von der IJAB-Mitgliederversammlung

am 06.12.2018 in Bonn.